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Albrecht Pietsch wurde am 13. September 1934 in Zittau geboren. Er studierte von 1953 bis 1958 Mathematik an der Karl-Marx-Universität Leipzig und erhielt dort sein Diplom. Bereits im Jahr 1959 wurde er bei Max Landsberg mit der Dissertation Zur Theorie der σ-Transformationen in lokalkonvexen Vektorräumen zum Dr. rer. nat. an der TH Dresden promoviert. Im Jahr 1963 folgte die Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin bei Heinrich Grell mit der Arbeit Verallgemeinerte vollkommene Folgenräume, die im Akademie-Verlag erschien.
Von 1958 bis 1965 war Albrecht Pietsch im Institut für Reine Mathematik der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin angestellt. Er wurde 1965 an die Friedrich-Schiller-Universität als Professor für Analysis berufen und blieb dort für 35 Jahre, bis zum Eintritt in den Ruhestand.
In den Jahren 1968-1971 war er Direktor der damaligen Sektion Mathematik, von 1983-1988 stellvertretender Sektionsdirektor für Forschung sowie etliche Jahre Mitglied des akademischen Senats der Friedrich-Schiller-Universität.
Das hohe Ansehen von Albrecht Pietsch in jungen Jahren (bereits vor seiner Berufung nach Jena) geht vor allem auf die Weiterentwicklung der fundamentalen Arbeiten des französischen Mathematikers Alexander Grothendieck zur Theorie der nuklearen Räume und nuklearen Operatoren zurück. Grothendiecks Arbeit
Résumé gilt als genialer Meilenstein der modernen Mathematik, aber schwer lesbar. Albrecht Pietsch gelang es in seiner Monographie Nukleare lokalkonvexe Räume, diese Theorie in entscheidender Weise zu vereinfachen und damit zugänglicher zu machen.
Im Mittelpunkt seiner Forschungstätigkeit in Jena stand das Studium von Banachräumen sowie diesbezüglicher linearer und insbesondere kompakter Operatoren und deren Eigenschaften. Die Theorie der bereits vorher eingeführten Approximationszahlen von kompakten Operatoren baute er systematisch zur Theorie der – heute oft mit seinem Namen verbundenen – s-Zahlen aus, darunter fallen eine Vielzahl von Konzepten zur Charakterisierung der Abbildungseigenschaften von Operatoren. Andere in der Fachwelt nun mit seinem Namen verbundene Begriffe sind der Faktorisierungssatz von Pietsch und das Pietsch-Maß. Weitere Themen, die er umfassend und sehr erfolgreich bearbeitete, sind die Theorie der Operatorenideale, absolut summierende Operatoren, Eigenwertverteilungen, Approximationsschemata, Determinanten und singuläre Spuren.
Nach sechs fachlichen Monographien hat er 2007 mit History of Banach Spaces and Linear Operators ein umfangreiches Alterswerk vorgelegt. Neben diesen sehr bekannten und häufig zitierten Monographien hat Albrecht Pietsch insgesamt 123 Arbeiten in renommierten Zeitschriften veröffentlicht, die letzte davon erschien wenige Tage vor seinem Tod. Seine große Begeisterung für die Funktionalanalysis, sein Interesse an aktuellen Forschungsergebnissen, aber auch an der Geschichte dahinter, war bis zuletzt ungebrochen und beeindruckend.
Eine große Zahl der 27 Doktoranden, die Albrecht Pietsch betreut hat, hat später selbst eine erfolgreiche akademische Karriere eingeschlagen. International einen sehr guten Ruf hatten auch die Georgenthal-Seminare, die Albrecht Pietsch gemeinsam mit seiner Forschungsgruppe und polnischen Mathematikern um Aleksander Pełczyński in den 1970er und 1980er Jahren organisiert hat.
In Würdigung seiner herausragenden Beiträge zur Funktionalanalysis erhielt er zahlreiche Ehrungen: Im Jahr 1974 wurde er in die Akademie der Wissenschaften der DDR gewählt, im gleichen Jahr auch in die Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Im Jahr 1970 erhielt er einen Nationalpreis 3. Klasse der DDR. Ehrendoktorwürden wurden ihm von den Universitäten Paderborn (1998) und Pretoria (2008) verliehen.
Von 1992 bis 2000 wurde Albrecht Pietsch zweimal als Experte für Mathematik in die DFG gewählt, in der zweiten Amtszeit war er sogar Vorsitzender des DFG-Gutachterausschusses für Mathematik.
Knapp 30 Jahre, von 1972 bis 2001, war Albrecht Pietsch zudem Mitherausgeber der Mathematischen Nachrichten, der bedeutendsten mathematischen Zeitschrift der DDR. Er blieb der Zeitschrift bis zuletzt als honorary advisor eng verbunden.
Die Fakultät für Mathematik und Informatik der Universität Jena, ganz besonders der Bereich Analysis, hat Albrecht Pietsch viel zu verdanken. Mit seinen bedeutenden Beiträgen zu verschiedenen Themen der Funktionalanalysis trug er wesentlich zur internationalen Bekanntheit der Jenaer Mathematik bei.
Wir werden Professor Pietsch stets ein ehrendes Andenken bewahren.
Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Analysis, Institut für Mathematik der Friedrich-Schiller-Universität Jena